Aus dem Archiv

Der ewig junge Bericht

Hallo Schachfreunde

Im Moment gibt es nicht viel zu berichten. Covid-19 verhindert leider bis Ende Juni, dass wir unsere Räumlichkeiten im Stadthaus nutzen können. Doch vielleicht geschieht noch ein Wunder und wir können mit dem Spielabend wieder früher beginnen. Ich werde es euch hier zeitnah berichten. Also besucht regelmäßig die Homepage.

In den Archiven habe ich einen alten Bericht aus dem Jahr 1956 gefunden. Er entstammt der 19.Ausgabe der Zeitschrift "Echo der Arbeit". Er behandelt die frühen Erfolge des damals noch sehr jungen Schachvereins "Schachgemeinschaft HOAG" und sinniert über Schach und seine Gründe, warum man das Spiel unbedingt erlernen sollte. Den Urheber kann ich leider nicht ermitteln, doch zu seine Aussagen sind heute genauso gültig wie vor mittlerweile 65 Jahren.

Doch lest selbst und macht euch euer eigenes Bild.

 

Echo der Arbeit - 19.Ausgabe 1956

An jedem Freitagabend trifft sich um 18.30 Uhr eine Anzahl von Belegschaftsmitgliedern unseres Werkes in der Gaststätte Scheer, Körnerstraße 90. Die Männer, die hier zusammenkommen, reden kaum über Politik oder Lottoquoten. Still sitzen sie auf ihren Stühlen und blicken konzentriert auf ein kleines Brett in der Mitte des Tisches: sie spielen Schach, das „königliche Spiel".

Schach ist ebenso geheimnisvoll wie uralt: schon auf einer der 3000jährigen Pyramiden von Gizeh ist das Brettspiel in einer Inschrift genannt. Seit über 1400 Jahren ist es in Indien bekannt. In Europa wurde das Schachspiel vor rund 1000 Jahren eingeführt. Trotz dieses Alters sind die Möglichkeiten des Spielverlaufs nicht erschöpft, obwohl Schach immer noch mit den gleichen 32 Figuren auf den gleichen 64 Feldern gespielt wird. Auch die Spielregeln sind im Wesentlichen gleichgeblieben. Dennoch tauchen noch heute neue Variationsmöglichkeiten des Spiels auf, obwohl jeder Spielverlauf schriftlich festgehalten werden kann. Figuren und Felder des Schachspiels sind mit Zahlen und Buchstaben bezeichnet: „1.f4 e6 - 2.g4 Dh4#" schildert beispielsweise den Verlauf einer vor rund 20 Jahren in Hamburg auf einem Turnier gespielten Partie. In der Fachsprache der Schachspieler wird sie ihrer Kürze wegen „Narrenmatt" genannt.

Durch diese Möglichkeiten, den genauen Verlauf eines jeden Spiels aufzuzeichnen, unterscheidet sich Schach wesentlich von allen anderen Brettspielen. Hinzu kommt noch die außergewöhnliche Vielfalt der Schachfiguren und die große Verschiedenheit der Zugvorschriften. Zweifellos ergibt sich daraus die Tatsache, dass „Schach spielen" gleichbedeutend mit „logisch denken" ist; denn wer eine Schachpartie wirklich beherrschen will, muss von jeder gegebenen Situation - der „Stellung" - aus sowohl die eigenen als auch die Zugmöglichkeiten des Gegners durch eine logische Kombination im Voraus berechnen können. Dazu gehört nicht nur Erfahrung, sondern in erster Linie auch die Fähigkeit der geistigen Konzentration aber auch eine - je nach Dauer des Spiels - nicht geringe Nervenkraft.

Ist doch, wenn eine Schachpartie streng nach den Regeln gespielt wird, auch die Zeit ein sehr wichtiger Bestandteil, mit dem gerechnet werden muss, denn jeder Zug wird mit der „Schachuhr", einer Art Stoppuhr, gemessen. Nach internationaler Turnierregel dürfen dabei, vorausgesetzt, dass die Partie nicht schon eher durch ein „Matt" oder „Unentschieden" beendet ist, in den ersten zweieinhalb Stunden nicht weniger als 50 Züge, in jeder weiteren Stunde nicht weniger als 20 Züge getan werden. Bei sogenannten „Blitzpartien" geht man noch weiter. In jeder fünften Sekunde muss dabei eine Figur auf ein anderes Feld gestellt werden.

Das hat nichts mit Rekordsucht zu tun. Es soll lediglich die Spieler zum raschen Erfassen einer Situation und zum schnellen Denken und Entschließen zwingen. So ergibt sich beim Schachspiel eine hervorragende Gelegenheit zu einem geistigen Training. Selbst Goethe nannte das Spiel einen „Prüfstein des Geistes". Heute scheint das Schachspiel im Vergleich zu früheren Zeiten in den Hintergrund getreten zu sein. Das liegt wohl daran, dass der „moderne" Mensch an einer intensiven geistigen Tätigkeit, soweit sie nicht beruflich ausgeübt werden muss, erschreckend wenig interessiert ist. Ihm geht es zumeist weniger um eine geistige und seelische Bereicherung seiner Lebensform als um Sensationen und Vergnügungen. Die aber vermag das Schachspiel nicht zu bieten, wenigstens nicht von der Art, wie unsere Zeit sie verlangt.

Auch als unsere „Schachgemeinschaft HOAG" in Mülheim gegen einen bis dahin ungeschlagenen Verein 3:5 siegte und in die Verbandsliga, die zweithöchste Klasse im Bundesgebiet, aufstieg, ihr Turnierleiter Friedrich Surmann Bezirksmeister und ihr Vorsitzender Gerhard Lindemann Stadtmeister wurde, nahm davon nur ein verhältnismäßig kleiner Interessentenkreis Notiz. Das ändert jedoch nichts an der Bedeutung des Schachspiels durch seine erzieherische Wirkung, ebenso wenig an der beachtlichen Aufgabe, die unsere Betriebs-Schachgemeinschaft erfüllt. Befinden wir uns doch inmitten einer großen Umwertung der menschlichen Arbeitswerte. Schon heute wird vielfach weniger nach „Muskelpaketen" als nach geistigen Fähigkeiten gefragt. Der Hüttenwerker der Zukunft aber ist dadurch in einem noch stärkeren Maß gezwungen, diese Fähigkeiten zu vervollkommnen und zu intensivieren. Dazu besteht gerade beim Schachspiel eine ebenso oft erprobte wie bewährte Gelegenheit.

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